Die Gastronomie wird gerade von schwierigen Entwicklungen gebeutelt. Die Branche hat beispielsweise noch nie derart viele Restaurants verloren wie 2017. Netto waren es 856. Auch die Ausbildungszahlen des Berufs Koch / Köchin EFZ sanken in den letzten Jahren drastisch. Gegen 3000 Auszubildende pro Jahr waren es Ende der 90er Jahre. 2017 zeigte die Kurve nach unten gegen 1000 Auszubildende pro Jahr. Zudem rangiert der Beruf des Koches in den Top 5 der Aussteiger-Berufe. Dies gilt sowohl für die Schweiz als auch, mit einem Blick auf unsere Nachbarn, für Deutschland und Österreich.

Im Frühjahr 2018 wurde beschlossen, das Berufsbild Koch / Köchin EFZ zu überarbeiten. Diesbezüglich stellen Das Pauli Magazin den Ausbildungsprofis einige Fragen: Diese Woche Thomas Riesen.

 

Das Pauli Magazin: Es immer wieder die Rede von der «Verschulung» der Berufe. Braucht es in Zukunft mehr Theorie oder eher weniger Theorie und dafür mehr Praxis?

Thomas Riesen: Ich denke das eine tun ohne das andere zu lassen. Um eine gute Praxis zu beherrschen muss man die theoretischen Hintergründe kennen und verstehen.

 

Das Pauli Magazin: Was kommt heute in der Ausbildung zu kurz?

Thomas Riesen: Die Basis (das Einmaleins des Kochens). Durch die modernen Gerätschaften und Programme verstehen die Lernenden oft gar nicht was mit dem Lebensmittel und deren Inhaltstoffen passiert (Bromatik). Den Bezug zum frischen Produkt geht durch die vielen Convenienceprodukte verständlicherweise etwas verloren. Wie viele Lernende hatten schon mal einen frischen Romanesco in den Händen gehabt? Dies ist nur ein Beispiel von vielen Produkten. Man muss das Lebensmittel spüren….

 

Das Pauli Magazin: Wenn wir die Lernorte betrachten, dürften grob geschätzt etwa zwei Drittel aller Lehrstellen den Bereichen Gesundheits- Spital-, Pflegeküche sowie Gemeinschaftsverfpflegung angegliedert sein, also wird «nur» noch 1 Drittel der Köche in der klassischen Gastronomie ausgebildet:  Was glauben Sie, wie wird sich der Beruf des Kochs in Zukunft verändern?

Thomas Riesen:Ich denke, es dürften sich zwei grosse Berufsstränge entwickeln. Auf der einen Seite ist der Fertigungskoch mit großem Fachwissen in der Gemeinschaftsgastronomie (Convenienceprodukte, Küchenroboter, neuste Gerätschaften etc.) für eine effiziente und kostengünstige Produktion mit hohem Qualitätsbewusst sein.

Andererseits wird es den klassischen Restaurationskoch geben, welcher sich mit frischen, regionalen Produkten und Gerichten auskennt. Er wird die Gäste in ihrer Freizeit zum Genuss verwöhnen. Fertigprodukte kommen in einem solchen Betrieb seltener bis nicht mehr vor. Jedoch müssen die Gäste auch bereit sein und dazu erzogen werden, für das wertvolle Handwerk den Preis zu zahlen.

 

Das Pauli Magazin: Die Entwicklung der Küche – von der Nouvelle Cuisine über die Molekular- bzw. der Avantgardistischen Küche bis zu Trends wie Fusion-Kitchen oder die Peruanische Küche von heute – was kommt als nächstes?

Thomas Riesen:Ich denke bzw. hoffe, dass in Zukunft wie oben erwähnt Mehrwert auf den Genuss sprich Geschmack gesetzt wird. Wir haben genügend tolle Lebensmittel in verschiedenen Regionen mit welchen man unglaubliche Gerichte zubereiten kann. Immer mehr Gäste fühlen sich an die Region gebunden und wollen die Region auch auf dem Teller sehen. In Zukunft soll es heissen: „Geschmack statt Schnickschnack“.

 

Das Pauli Magazin: Wie werden sich die beruflichen, fachlichen und handwerklichen Anforderungen in Zukunft verändern?

Thomas Riesen:Der Koch muss viel mehr über die Lebensmittel und deren Beschaffenheit wissen. Dazu muss er die Basic (Garmethoden und Küchentechnik) aus dem FF verstehen. Nur so gelingt es ihm aus den Lebensmittel das Maximum herauszuholen. Der Koch muss auch den Mut haben, ein Lebensmittel so zu belassen wie es ist ohne immer alles zu verändern. Auch müssen die Köche lernen, ihre eigene Handschrift und Philosophie zu entwickeln ohne immer alles zu kopieren.

 

Das Pauli Magazin: Hat die klassische Französisch Küche als absolute Grundlage weiterhin noch Bestand? Ja / Nein und weshalb?

Thomas Riesen: Wie vorgängig bereits mehrfach betont. Ja! Die Basis, das Handwerkt ist das Fundament auf welchem man solide bauen kann. Wenn das Fundament nicht solide ist, fällt irgendwann alles zusammen.

 

Das Pauli Magazin: Werfen wir für die nächste Frage einen Blick auf die Automechaniker. Die Fahrzeugdiagnosetechnik hat dazu geführt, dass kaum mehr einer an einem einfachen Motor z.B. wie den des Renault R4 von 1978 einen Fehler finden geschweige denn reparieren kann. In Anbetracht der fortschreitenden Technik in Verbindung mit immer besserer Convenience – wie werden sich die Ansprüche an die beruflichen, fachlichen und handwerklichen Forderungen entwickeln. Wie sieht der Kocheberuf / die Kochberufe von Morgen aus?

Thomas Riesen: Hierbei verweise ich auf die von mir bereits eingangs beschriebenen zwei grossen Berufsstränge. Ich kann mir vorstellen, dass es in zwei Richtungen geht. Eine Richtung in die neue Technik und Convenienceprodukte eine Richtung in die ursprüngliche Gastronomie (Spezialisten) für das perfekte Handwerk.

 

Das Pauli Magazin: Was möchten sie unbedingt noch sagen.

Thomas Riesen: In der heutigen Zeit, in der man überall hört, es fehle an guten Handwerkern und Fachkräften sollte man auch zwingend etwas für die Fachkräfte tun. Viele Köche springen ab, weil sie einen höheren Fachschulabschluss anstreben. Nicht weil sie den Kochberuf nicht lieben, sondern weil sie keine weitere Möglichkeit finden sich in der Küche weiter zu entwickeln. Damit meine ich einen Abschluss der im Kontext der Zeitgenössischen Gesellschafts-Wahrnehmung etwas zählt. Es ist daher unabdingbar, den leidenschaftlichen Köchinnen und Köchen die Möglichkeit zu bieten auf ihrem Gebiet einen Fachhochschulabschluss zu gewähren. Mit der HF-Kulinarik wäre dies einen riesen Sprung in die Zukunft der Gastronomie. Unsere Nachbarländer machen es uns bereits vor.

 

Das könnte Sie auch Interessieren - was andere Berufschullehrer zu den Themen sagten:

Carlos Egli

Rolf Böhni

Max Gsell