Wer sich an «The Devil in the Kitchen» Marco Pierre White erinnern mag, bevor er sich von der Kommerzialisierung weichklopfen liess, der erinnert sich vielleicht auch an die kolportierte Mär, dass Gäste «nur» dahingingen, um den Chef zu provozieren. Es galt als ausgesprochen chic, von Marco Pierre White himself hochkant aus dem Restaurant geworfen worden zu sein - ein Steak well done zu bestellen oder mit den Fingern nach dem Kellner zu schnippen, reichte offenbar.

Dasselbe könnte man von Louis’ Lunch behaupten. Wer Ketchup hineinschmuggelt, wird rausgeworfen. Das kleine, unscheinbare Backsteingebäude in New Haven, sinnigerweise eine ehemalige Gerberei von Tierhäuten, ist mit Sicherheit das noch älteste tatsächlich von der Ursprungs-Familie betriebene Hamburger Restaurant der USA, vermutlich sogar das älteste der Welt.

Ein dänischer Schmied und Auswanderer namens Louis Lassen (1865 - 20. März 1935) siedelte 1886 in New Haven an, kaufte einen Wagen und handelte mit Lebensmitteln. Später begann er auch Mahlzeiten zuzubereiten. Die Legende, die von der Familie und dem in 4. Generation geschäftsführenden Ururenkel Jeff Lassen selbst verbreitet wird:

Im Jahr 1900 bestellte ein pressierter Geschäftsmann bei Louis Lassen ein Mittagessen zum Mitnehmen mit folgendem Wortlaut:  «Louis! I'm in a rush, slap a meatpuck between two planks and step on it!» Das soll angeblich der erste Hamburger gewesen sein, der in den USA serviert wurde.

Ob das so stimmt sei dahin gestellt: 
Woher der Name des Hamburgers kommt? Das können Sie hier lesen.
Wer den Hamburger erfunden hat? Das können Sie hier Lesen.

Sicher ist, dass Louis’ Lunch die seltene Tatsache symbolisiert, dass Erfolg nichts mit Fortschritt, Wachstum, Gewinnmaximierung und dergleichen zu tun haben muss. Louis’ Lunch ist gelebte, realexistierende (Ess-)Kultur, die seit über 120 Jahren beständig erblüht. Daran konnte 1917 der Umzug vom Lunch-Wagen in das Backsteingebäude nichts ändern, genauso wenig, als die Familie sich im Zuge der Stadtentwicklung 1975 gezwungen sah, das Restaurant samt Backsteingebäude um vier Strassen zu zügeln.

Geblieben ist mit dem Angebot bis heute «The Original Hamburger», der ausschliesslich mit Schmelzkäse bzw. Käsecreme, Tomate und/oder Zwiebeln zwischen zwei Scheiben Toastbrot serviert wird. Dazu gibt es wahlweise Kartoffelsalat und Kartoffelchips. Ketchup ist in dem Laden verboten und das dürfte seinen Grund haben. Denn grilliert werden die Patties aus reinem Rindfleisch in einem speziellen Ofen, der innen offen mit Gasfeuer geheizt und nahezu glühend gehalten wird. Die Hackfleischsteaks werden in ein Grillgitter geklemmt und vertikal in den Ofen geschoben und, so wie es Jeff Lassen will, auf die Sekunde genau grilliert. Derart wortwörtlich der Gluthitze und dem offenen Feuer ausgesetzt, muss das Fleisch im Zuge des Maillardprozesses zwangsläufig seinen wunderbaren Bratgeschmack entwickeln. Dies natürlich auch, weil das Fleisch bei Louis’ Lunch rein ist und nicht, wie bei den gigantischen Mitbewerbern, die ihre Patties mit Fleischerzeugnissen strecken, die in chemischen, physischen und thermischen Verfahren aus Resten herausgelöst, gequetscht und gewaschen werden. Man möchte fast sagen, so wie ein guter Rauchlachs keine industriell aufgeschäumte Meerrettichcreme benötigt, so braucht ein gutes Rindshacksteak auch kein Ketchup.

Und so nagelte Jeff Lassen folgende Verhaltensregeln an die Wand: "You can get your hamburger sandwich topped with onions, tomato, and a squirt of Cheez-Wiz. Just don't ask for anything else» und "this is not Burger King you can't "have it your way." You get it my way or you don't get the damn thing."

Gemäss den Richtlinien des Guide Michelins ist «1 Stern gleich einen Halt wert», «2 Sterne gleich einen Umweg wert» erhält das Louis’ Lunch ungesehen und ungetestet von Das Pauli Magazin 3 Sterne – es ist definitiv nicht nur eine Reise, sondern einen Flug wert, denn es zeigt allen, dass man als Wirt*in nicht alles für alle sein muss, sondern dass es zielführend sein kann und darf, sich selber treu zu bleiben.