Bei Essento Food AG sind es drei Insekten, die im Snack-Portfolio in Erscheinung treten: Heuschrecken (mit alpinen Kräutern), Grillen (mit Paprika oder Thaistyle) und Mehlwürmer (mit Salz und Pfeffer). Dann gibt es auch Produkte wie Grillenmehl, Heugümper am Spiesschen, Mehlwürmer pochiert und tiefgefroren sowie Insekten-Burger.
Wer sich allerdings in die «eigene» Produktion in der Scheune in einem alten, heimatgeschützten Hof im Aargauischen Endingen verirrt, findet «nur» Mehlwürmer. Der Grund ist ein einfacher. Die Initiatoren haben eines schnell gemerkt: Es dauert lange, bis die Marktreife einer Insektenzucht erreicht ist, noch länger wird es dauern, bis Insekten als Nahrung im Markt ein vernünftiges Volumen erreichen, um ökonomisch vertretbar produzieren zu können. Essento ist deshalb im Grunde die Folge- bzw. Tochterfirma der eigentlichen Insektenzucht, unter deren Dach Produkte für den Konsumenten-Markt entwickelt, produziert und verkauft werden – so ganz nach dem Marketing-Claim: «Making Insects delicios.»
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Es ist die dritte Wertschöpfungskette dieses schwirrenden Geschäftes. Die ersten beiden Wertschöpfungsketten liegen bei der Ensectable. Einerseits werden hier Insekten gezüchtet, wenn auch ausschliesslich Mehlwürmer. Andererseits ist das gewonnene Knowhow der Aargauer Insektenzüchter international gefragt. Vor allem grosse Futtermittelkonzerne Kaufen das Wissen rund um Technologie und Prozesse. Allerdings findet der Gründer Christan Bärtsch diesen Umstand auch bedauerlich.
Die Intention von Ensectable sei es, die Effizienz der Umwandlung von Tiernahrung in Proteine für die menschliche Ernährung zu steigern. Bei Mehlwürmern brauche es 1.6 Kg Futter um 1 Kg verzehrbare Masse zu erhalten, das sei recht gut, sagt Christian Bärtsch. Zum Vergleich, für 1 Kg Rindfleisch werden je nach Quelle und Definition zwischen 5 und 20 Kg Futter benötigt. Noch dramatischer ist es beim Wasser. Hier fallen für 1 Kg Rindfleisch je nach Aussage 15'000 bis 20'000 Lt an. Bei den Insekten ist der Wasserbedarf marginal, allerdings fehlen die entsprechenden Studien zum virtuellen Wasserverbrauch noch, da die Insektenzucht für die entomophagische Ernährung* noch ganz am Anfang steht.
Hier liegt auch der Grund, weshalb das Wissen von Ensecteble und seinen drei Gründern so gefragt ist: Der Tierarzt Benjamin Steiner, die Tierpflegerin Mina Gloor und der Master of Arts in Economics Christian Bärtsch versuchen, pröbeln und feilen seit über drei Jahren an ihrer Insektenzucht. Das geht von der Verpuppung und der Eiablage über Aufzucht und Fütterung, bis zum Töten und der hygienischen Weiterverarbeitung.
«Wir können heute sogar die Eier zählen», lacht Bärtsch, «es sei etwas aufwendig, aber es geht.»
Aus Versuchen ist eine standhafte und stattliche Produktion geworden, die auf kleinstem Raum und in Plastikkisten pro Monat rund eine halbe Tonne Mehlwürmer hervorbringt. Aus einzelnen Handgriffen sind gestraffte und skalierbare Arbeitsabläufe und Prozesse geworden, die eine Grossproduktion ermöglichen. Und das alles geschah nicht unter Zuhilfenahme von einem Heer von Design Thinking Spezialisten, sondern entspringt offensichtlich der «Hands on-Mentalität» der drei Gründer, die anfangs den Mehlwürmen das Salatblatt von Hand verfütterten.
Entstanden ist in Bezug auf die Mehlwurmzucht im Aargauischen Endingen eine nahezu 100-prozentige Kreislaufwirtschaft. Für das Futter verwendet werden Abfälle der Nahrungsmittelindustrie wie Kleie aus der Getreideverarbeitung und Melasse aus der Zuckerherstellung. Für 1 Kilogramm Mehlwürmer wird 1.6 Kilogramm Futter benötigt. Nach Adamriese bleiben dann 0.6 Kilogramm Mehlwurmkacka übrig, das als Dünger vollständig zurück in den Kreislauf gelangt und darüber hinaus der Planze auch sonst hilft. Das Chitin in den Überresten suggeriert den Pflanzen einen bevorstehenden Insektenbefall, auf den sie sich dann vorbereiten.
Bei Betreten des Zuchtraumes wird es schwülstig. 28°Celsius bei hoher Luftfeuchtigkeit. Es stinkt nicht, sondern es riecht nach einer Mischung aus Backstube und Zuckerfabrik, unterstrichen von einer Haselnussnote. In etwa so könnte man es beschreiben. Tatsächlich entwickeln die Mehlwürmer geröstet ein haselnussartiges Aroma. Grusig war gestern.
Christian Bärtsch selbst ist kein Verkünder des Weltheils, der meint, alle und jeden beschwatzen, weichkochen und überreden zu müssen – er glaubt einfach daran, dass die Insekten irgendwann einen Teil der menschlichen Ernährung stellen werden. Daran hat er bereits geglaubt, als ihm Professoren an der Uni St. Gallen prophezeiten, er werde das nicht schaffen, weil er bereits das Gesetz nicht ändern kann. Seit dem 1. Mai 2017 sind in der Schweiz Grillen, Heuschrecken und Mehlwürmer gesetzlich als Nahrung zugelassen. Er hat seinen Teil dazu beigetragen, auch dazu, dass die Schweiz eine Vorreiterrolle einnimmt. Die Schweiz ist das erste Land in Europa, das Insekten als Nahrung explizit per Gesetzt erlaubte.
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Mehlwürmer, Grillen und Heuschrecken als Zutat für die gastronomische Küche
Diese können direkt bei Essento oder bei Gmür bestellt werden. Die Mehlwürmer kommen von der Ensectable AG, die Heuschrecken und Grillen stammen von europäischen Farmen. Die Produktion der Essento Mehlwürmer ist Bio-zertifiziert. Die Insekten aus den europäischen Farmen für Essento werden laut Christan Bärtsch unter Bio-Bedingungen produziert aber nicht zertifiziert. Der Preis für ein Kilo Mehlwürmer blanchiert und schockgefroren beträgt CHF 64.-.
Bio und Brutal Lokal
Die Mehlwürmer von der Ensectable AG sind nicht einfach nur Bio zertifiziert, sondern entsprechen so ziemlich den wichtigsten Ernährungstrend von Brutal Lokal und Local Exotics, über Zero Waste und Urban Farming bis Nature Food, Real Omnivore, und Healthy Hedonism (Food Report 2022, Zukunftsinstitut). Das wird ermöglicht durch die Insektenzucht per se. Insekten mögen Massentierhaltung, sie müssen nicht bewegt, sondern nur gefüttert werden. Dies alles ermöglicht insgesamt eine riesige Produktion auf kleinstem Raum und bietet zudem die Möglichkeit zur vollständigen Kontrolle über die Prozesse. Das Resultat: Bio, keine Chemie, keine Medikamente, keine Emissionen und somit auch problemlose Produktion mitten in Wohngebieten. Hier produziert für hier von Ressourcen von hier. Zukunftsträchtigkeit kann also den Insekten als Teil der menschlichen Ernährung der Zukunft kaum abgesprochen werden.
Unproblematische Zucht
Insekten haben für die «Massentierhaltung» einen entscheidenden Vorteil: Je enger, desto besser. Gerade Mehlwürmer (Larven des Mehlkäfers - Tenebrio molitor aus der Familie der Schwarzkäfer) fühlen sich im Gewühl erst richtig wohl und sie lieben es dunkel und feucht. Zudem sind sie von Natur aus die Nahrungsgrundlage «en masse» für andere Tiere. Chritian Bärtsch sagt, dass in freier Wildbahn kaum mehr als drei Prozent der Mehlwürmer überleben, um sich verpuppen zu können - in diesem Stadium, vor der Verpuppung ist auch der Proteingehalt am höchsten. In freier Wildbahn fressen sie sich unter Laub und unter der Rinde durchs Leben, bis sie nach der Metamorphose über die Verpuppung als Mehlkäfer ein zweites Mal geboren werden.
Proteingehalt von Insekten
100 Gramm Insekten enthalten:
Mehlwürmer: ca. 45 Gr Protein
Grillen: ca. 69 Gr Protein
Wanderheuschre>Studie erwähnt, mit der Proteine von Insekten, Soja, Weizen sowie einem Placebo verglichen wurde. Dabei ging es um die Aminosäuren, die tatsächlich auch ins Blut gelangen und die dem Körper zum Muskelaufbau zur Verfügung stehen. Die Insektenproteine habe dabei sehr gut abgeschnitten. Die Studie ist bedauerlicherweise so nicht auffindbar, auch bei der FAO nicht.