«Ja sicher», sagt Giovannini. Man müsse die Spuren der Vergangenheit mitnehmen und bewahren. Gerade in diesem Haus. Vom Erbe Fredy Girardets zeugen beispielsweise die Canard Nantes, die immer noch auf der Karte ist.
Eines der Prinzipien in der Küche Giovanninis ist das «drei-Aromen-Prinzip». Wie das funktioniert? «Garder les gôuts simples», sagt Franck Giovannini dazu. Natürlich habe es oftmals mehr drei Geschmäcker, aber, es gehe darum, dass in einem Gericht Geschmäcker und Produkte erkennbar sind.
In der Schweiz ist ein dramatischer Rückgang an auszubildenden Köchen zu verzeichnen. Wir bilden weniger als halb so viele Köche aus wie noch zu Beginn der 2000er Jahre.
Das Paradoxe ist, es existiert einerseits ein riesiger Hype zum Thema Kochen, gelernte Köche haben in der Gesellschaft eine hohe Akzeptanz, gleichzeitig wollen sich junge Köche kaum mehr auf diesem Beruf ausbilden lassen. Die Erklärung Giovanninis weicht nicht von der von anderen Küchenchefs ab. Es werde ja bereits sehr viel getan, die Anstrengungen seien sehr gross, um den Nachwuchs für die Branche zu gewinnen. Letztendlich liege es wohl an der Arbeit, am Job an sich und dessen Strukturen und Arbeitszeitmodellen. Gerade letztere seien im Wandel begriffen, die Zimmerstunde gibt es immer weniger und einige in der Branche beginnen beispielsweise auch mit der 4-Tage-Woche. Auch der Umgang mit den Menschen sei massgebend. Ich persönlich lege grossen Wert auf gegenseitigen Respekt und bei mir wird nicht geschrien. Unter diesem ganz allgemein «neuen Umgang» mit Mitarbeitenden in der Gastronomie werden unsere Berufe ganz sicher «zurückkommen».
Selbstverständlich werden auch im Hôtel de ville de Crissier Lehrlinge ausgebildet. Insgesamt sind es im Moment drei Auszubildende. Zwei in der Küche, einer im Service. Dann biete er auch für die Hotelfachschule Montreux im Rahmen von Praktika Ausbildungsplätze an.
Die Basis der Haute Cuisine ist ja nach wie vor die klassische, französische Küche. Die Natürlichkeit und Klarheit bzw. die Erkennbarkeit der Aromen ist in der Küche Giovanninis ein wichtiger Punkt. Die Molekularküche bzw. heute die avantgardistische Küche bildet dazu einen scharf abgegrenzten Kontrast. Da geht es um Texturen, Sphären, Additive, Zusatzstoffe und Laboraromen, die von den Staravantgardisten verkauft werden. Und welche Bedeutung bzw. welche Rolle hat die avantgardistische Küche für die Küche von heute und morgen?
«Es gibt Dinge, die sind sehr gut und es gibt Dinge, die sind sehr schlecht.» Dabei müsse jeder für sich selbst herausfinden, was gut und was schlecht sei. Das gelte für Gäste genauso wie für Köche. Giovannini urteilt nicht. Wenn alle alles gleich machen würden wäre es auch langweilig. Sicher ist, sowohl die avantgardistische Küche als auch die naturbelassene Küche entwickeln sich weiter und beeinflussen sich auch gegenseitig. Das macht es doch spannend. Wichtig findet er, dass die jungen Köche zuerst die Basis vollständig und korrekt erlernen. Als erstes müssen sie doch die Grundlagen beherrschen.
Er selbst hat sein Können auch schon öffentlich unter Beweis gestellt. An der «Weltmeisterschaft der Köche», dem Bocuse d’Or in Lyon 2007, erreichte er für die Schweiz den 3. Platz und ist heute auch Präsident der Academy Bocuse d’Or Suisse. Diese Wettbewerbe seien wichtig. Das sei Bildung und Motivation zugleicht. Die Jungen üben, setzen sich mit den Themen auseinander und bereiten sich vor. Die Zuschauenden interessieren und identifizieren sich mit Menschen und Beruf. Und ganz im Gegensatz zu den TV-Kochshows ist dieser Wettbewerb die harte Realität, sozusagen vom Mise-en-place bis zum Tellerservice.
Ein Wort zum Pauli - was bedeutet das Lehrbuch der Küche für Frank Giovannini?
«Mit dem Pauli habe ich gelernt. Es ist die die Basis. Der alte war für mich persönlich besser, man hat im neuen viel dazu getan, dass es aus meiner Sicht nicht braucht. Aber so oder so. Der Pauli ist perfekt für die Jungen, um zu lernen. Es ist wichtig, dass sie mit einem Buch anfangen, das die klassische Küche beinhaltet und repräsentiert und ihnen das notwendige Knowhow mitgibt.»