Das was Pepe Rosenberger (Belgrill Gastronomie) später in der Diskussion als problematischen mittelmässigen Stellenwert der Branche bezeichnete, schilderte der gelernte Bankkaufmann und Kassier des Verbandes Richard Engler (Gastrag) in seiner Präsentation des Vorstandes. Er wollte für den Schweizer Verein SGG ein Bankkonto eröffnen. Es sei mittlerweile zu einem Running Gag geworden, das Dossier ist auf zehn Zentimeter Dicke angewachsen. Wäre man ein ausländischer Grossinvestor, hätte man längst beste Bankbeziehungen, aber als schweizerischer Verein honoriger Gastrounternehmer brauche man offenbar über drei Monate, um ein einfaches Konto zu eröffnen.

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«Wir werden von einem Verband mit einer 100 Jahre alten Struktur vertreten, der einen Mindestlohn bekämpft, den wir schon lange bezahlen», sagte Marc Saxer (Höschgass Gastronomie), gefolgt von den Worten von Johann Rudolf Meier (Berest Gruppe), man bezahle doch schon lange keine schlechten Löhne mehr und besser als viele Handwerksbranchen.

Es wurde dann aber auch schnell klar, ohne Verband gehe es nicht, mit aber auch nicht wirklich. Und man will die eigenen Interessen jetzt in die eigenen Hände nehmen. Als grundlegende Intention beabsichtigt der Verein also die Aufnahme und Tätigkeit als Fachgruppe von GastroSuisse gemäss Art. 4 Abs. 1 der Statuten von GastroSuisse. Der Verein versteht sich als Verbindungsglied zwischen den Schweizer Gastronomie Grossunternehmen und den Behörden, der Politik sowie der Öffentlichkeit. Er soll die Vereinsanliegen vertreten sowie das Ansehen der Branche fördern. 

Schweizer Gastronomie Grossunternehmen SGG ist ein Verein, deren Mitglieder inhabergeführte Schweizer Gastronomie-Grossunternehmen sind.

Der Vorstand besteht nach Statuten aus den Gründungsmitgliedern und einem Vorstandsmitglied von GastroSuisse, welche mit jeweils einer Person Einsitz nehmen. Der Vorstand entscheidet über die Aufnahme von weiteren Vereinsmitgliedern in den Vorstand. Die Mitglieder des ersten Vorstandes sind:

Daniel Müller, Bindella Terra Vite Vita SA, Präsident
Richard Engler Gastrag AG, Kassier
Markus Segmüller, Carlton Zürich AG, Sekretariat
Florian Eltschinger, Remimag Gastronomie AG, Vize-Präsident / Projekte
Bruno Lustenberger, Bindemitglied Vorstand GastroSuisse

Die Mitglieder setzen sich zusammen aus der erfolgreichen, taktgebenden Gastronomie. Mit dabei sind bis dato: 

Belgrill Gastronomie, Berest AG, Bindella Terra Vite Vita AG, Candrian Catering AG, Carlton Zürich AG, Commercio-Piccadilly AG, Compomondo SA / Luigia, Dean & David Schweiz GmbH, Dieci AG, Dine & Drink GmbH, Familie Wiesner Gastronomie AG, Gastrag AG, Hiltl AG, Höschgass Gastro AG, Hotel Säntis Betriebs AG, Kramer Gastronomie AG, Remimag Gastronomie AG, Ristoranti Fred Feldpausch SA, Seven Group Breuer & Co., Schatz AG, tibits AG, von Matt Hospitality Group, Wassermann & Company AG, Wüger Gastronomie.

Die Idee an sich ist nicht neu. Ende der Neunzigerjahre wollte der Gründer von Salz&Pfeffer, Daniel E. Eggli die «Gruppen und Marken der neuen Gastronomie» bereits zusammenführen. Die Ausgangslage war damals einerseits das erste und von ihm in der Schweiz gegründete Gastrosymposium, welches jedes Jahr im Mövenpick Regensdorf mit der Verleihung des Ueli Prager-Preises stattfand sowie die damalige, jährlich erscheinende Zusammenfassung der Gruppengastronomie Portraits&Konzepte. Die Vereinigung hiess damals «Interessegemeinschaft der Gruppen und Marken Gastronomie IG GMG». Gründungsmitglied unter anderem: Die Bindella Gastronomie. Damals war allerdings die Zeit noch nicht reif und das Interesse bzw. das Bewusstsein für eine eigene, nach aussengerichtet Politik zu gering. Das Vorhaben wurde eingestellt. Doch das hat sich über 20 Jahre später offensichtlich geändert.

Dass sich die Schweizer Gastronomie Grossunternehmen von gegebenen Verbänden heute nur bedingt getragen bzw. adäquat vertreten fühlen, hat direkt oder indirekt mit verschiedensten jüngeren Ereignissen, um die Unternehmerverbände der Gastronomie zu tun. Z.B. haben die mehr oder weniger skandalösen «Operationen» 2021 von, mit und rund um Vorstandswahlen von GastroSuisse sowie die Nachfolgewahlen von GastroZürich sowie GastroZürichCity ungute Gefühle hinterlassen. Präzise ein Vertreter der inhabergeführten Schweizer Gastronomie Grossunternehmen wurde mehrfach nicht gewählt und verhindert. Es machte geradezu den Anschein, also wolle man die Vertreter der inhabergeführten Grossbetriebe in den Verbandsführungen nicht mit dabeihaben.

Bei GastroZürichCity wurde vor ein paar Jahren ein Vorstandsmitglied, das ebenfalls dieser Gruppierung angehört, während einer Generalversammlung mit haltlosen, diffamierenden Worten aus dem Saal geworfen, nur weil derjenige seine Meinung darlegte und etwas anderes forderte als das Regime wollte. Das hat den Verbänden nicht gutgetan und der Widerstand formierte sich. Wieder einmal zeigt sich, dass komplexe soziale Systeme ihr Ziel in sich selbst haben bzw. entwickeln und sich in ihrer Interaktion kaum von autoritären Akteuren beeinflussen, geschweige denn lenken lassen.

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Es wurde also auf allen Verbandsstufen ein Gastro-Genre, das mit der neuen SGG bereits jetzt in der Gründungsphase 356 Betriebe mit 7940 Mitarbeitenden, 177 Lernenden und 909 Mio. Umsatz auf sich vereint, die Teilnahme und die Stimme verweigerte. Die negativen Auswirkungen haben sich mit der Corona-Krise besonders manifestiert – viele erfolgreiche Gastronomen waren gelinde gesagt nicht wirklich damit einverstanden, sich vom «Gastro-Jammeri-Image» vertreten zu lassen. Gar nicht gut angekommen ist, als GastroSuisse während des ersten Lockdowns die rechten Bundesräte gegen Alain Berset aufhetzen wollte, um anstehende Entscheide zu beeinflussen. 

Das Gewicht des Kollegialitätsprinzips hat allerdings überwogen.

So hat sich auch die neue SGG als Fachgruppe von GastroSuisse zuerst einmal fair nach innen gerichtet und ausgelegt. Im Kern will man als Teil des Vereins:

  • Unterstützen bei der Weichenstellung zur Imageförderung der Branche
  • Einbringen der eigenen Haltung als Grossunternehmen
  • Positionierung im Verbandsgremium als unterstützende Fachgruppe
  • Einbringen der strategischen Ausrichtung in branchenrelevanten 
    Themen- und Handlungsfeldern
  • Langfristiges Bekenntnis zur Gastronomie-Branche
  • Hilfestellung zur Entwicklung der Gastronomie-Branche

Aber natürlich, in den Statuten sticht dem Betrachter ein Satz ins Auge: «Der Verein versteht sich als Verbindungsglied zwischen den Schweizer Gastronomie Grossunternehmen und den Behörden, der Politik sowie der Öffentlichkeit.» 

Das führte Richard Engeler unter dem Thema «Credo» deutlich aus: Die inhabergeführten Schweizer Gastronomie Grossunternehmen wollen das Ansehen der Branche fördern, wirtschaftliche und politische Interessen wahren und dazu den Austausch fachspezifischer Anliegen und Ideen pflegen. Dazu soll das gemeinsame Knowhow sowie die eigene strukturgegebene Kooperationsfähigkeit genutzt werden.

Der neue Verein dürfte sich also kaum scheuen, auch bei gegensätzlichen Meinungen aktiv zu gestalten, zu intervenieren und offen zu kommunizieren. Ebenfalls sind Grundsätze aus einem Gründungsprotokoll diesbezüglich aussagekräftig: «(…) wir wollen kommunizieren», «Solidarität unter den Grossunternehmen; wir gehören zusammen».

Markus Segmüller präsentierte unter anderem die Bedürfnisse der Mitglieder, und so wie es der Anschein macht, möchte man es tunlichst vermeiden, den Weg der autoritär geführten Zentrale, die den Mitgliedern ihre eigenen Anliegen schon fast aufoktroyiert, einzuschlagen. Stattdessen sollen für Bedürfnisse, aufkeimende Fragen, Lösungsansätze und dergleichen Räume geschaffen werden, in denen systemgerechte Arbeitsweisen Eingang finden, wie die Methode der Freien Einfälle, das aus Freuds freiem Assoziieren hervorging, oder dann dem einfachen altmodischen «über etwas nachdenken, sich etwas ausdenken». Das soll dann unter Einbezug z.B. von Forschungsergebnissen, Brainstorming etc. kombiniert und evaluiert werden. Aus solchen Ergebnissen, die dann echtem Leadership entsprungen wären, liessen sich Lösungsansätze aber auch weitere Denkansätze zu allen Branchenthemen entwickeln.

So hat dann auch der eigentliche Auftakt der Gründung stattgefunden – in einer freien, geführten Diskussion, in einer lockeren Stimmung, die doch recht schnell zu möglichen Handlungssträngen führte.

Abschliessend sagte Florian Eltschinger (Remimag), er stehe zu dem, was er über GastroSuisse im Auftakt gesagt hatte: «Es ist nicht das Ziel, die Aufgaben einfach dem Vorstand zu übertragen und die sollen dann schauen. Und am Schluss ist man dann unzufrieden wie bei GastroSuisse.» Jeder soll mitarbeiten und sich einbringen.

Wie recht er damit hat, zeigte sich schnell. Man müsse umfassender denken und handeln, insbesondere strategisch, um den Mitgliedern die operative Tätigkeit zu vereinfachen.

Erfahrungspools, gemeinsame Entwicklung von Lösungsansätzen, gerade auch in Bezug auf 26 kantonale Gesetzgebungen und Bewilligungsverfahren, bei denen kaum einer mehr durchblickt, waren ein grosses Thema. Und in logischer Konsequenz kam die Koordination bei politischen und behördlichen Vorstössen und Einsprachen aufs Tapet, ganz im Sinne des alten Aristoteles: «Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile».

Hier hat eine bis jetzt «verzettelte» Kraft das Wir-Empfinden und den Selbstwert entdeckt. Der Auslöser dürfte, wie so oft, der zu gross gewordene Leidensdruck gewesen sein. 

Es wird spannend, was sich aus dieser Dynamik entwickelt.